- Physiknobelpreis 1973: Leo Esaki — Ivar Giaever — Brian Davon Josephson
- Physiknobelpreis 1973: Leo Esaki — Ivar Giaever — Brian Davon JosephsonEsaki und Giaever wurden für ihre experimentellen Entdeckungen zum Tunnelphänomen in Halb- und Supraleitern ausgezeichnet, Josephson für seine theoretische Vorhersage von Eigenschaften bei einer Supraströmung durch eine Tunnelbarriere.BiografienLeo Esaki, * Osaka 12. 3. 1925; 1956-60 Anstellung bei Sony (Japan), 1960-92 bei IBM in den USA, 1992-98 Rektor der Universität Tsukuba (Japan).Ivar Giaever, * Bergen (Norwegen) 5. 4. 1929; 1956 Emigration in die USA, ab 1958 Mitarbeiter der General Electric-Company, 1970 Wechsel in die biophysikalische Forschung.Brian David Josephson, * Cardiff (Wales) 4. 1. 1940; 1965 Assistenzprofessor an der Universität von Illinois, ab 1972 in Cambridge.Würdigung der preisgekrönten LeistungLeo Esaki hat mit der Erfindung der Tunnel- oder Esaki-Diode die Halbleitertechnik revolutioniert. Für diese Leistung erhielt er gemeinsam mit Ivar Giaever den halben Nobelpreis.TunnelstromHalbleiterelemente stehen in ihrer elektrischen Leitfähigkeit zwischen Leitern und Isolatoren. Es gibt zwei verschiedene Arten, den n- und den p-Halbleiter. Der negative n-Halbleiter ist häufig ein mit Arsen verunreinigtes (dotiertes) Siliciumkristall. Das Arsen gibt Elektronen an das Kristallgitter ab und lädt es negativ auf. Der positive p-Halbleiter ist zum Beispiel mit Gallium dotiert, das Elektronen aus dem Gitter abzieht. In der Übergangszone zwischen einem n- und einem p-Halbleiter liegt eine Potenzialbarriere. Ein Halbleiter mit pn-Übergang lässt sich als Diodengleichrichter verwenden, der in eine Richtung Strom fließen lässt und in die andere als Sperre wirkt.Esaki entdeckte bei seinen Untersuchungen, dass die Sperrschicht überwunden werden kann und ein so genannter Tunnelstrom fließt. Seine Diode bestand aus einem hochdotierten n-leitenden Germaniumplättchen, in das eine ebenfalls hochdotierte Indiumpille einlegiert war. Wegen der hohen Dotierung hat die Tunneldiode keine Sperrwirkung. Die Elektronen durchdringen die Barriere nahezu mit Lichtgeschwindigkeit. Wird die Spannung an einer Tunneldiode erhöht, steigt zunächst der Tunnelstrom. Bei weiterer Spannungserhöhung fällt der Stromwert wieder ab. Die Tunneldiode wirkt in diesem Bereich wie ein negativer Widerstand. Wird die Spannung weiter erhöht, steigt auch der Strom weiter an. Esaki nutzte diesen überraschenden Effekt dazu, sehr kleine, superschnelle elektronische Schalter zu bauen.Wirklich kreativ sei man nur als junger Wissenschaftler, ist Esaki überzeugt. Hoffnungsvollen Forschern empfiehlt er auf dem Weg zum Nobelpreis fünf Regeln zu beachten: Schaue nie zurück, das lähmt die Kreativität; meide die Größen deines Fachs; vergiss das Unwichtige; geh keiner Auseinandersetzung aus dem Weg und verteidige deine Position; erhalte deinen kindlichen Geist, die vitale Komponente der Vorstellungskraft.Energielücke bei SupraleiternDie Esaki-Diode lieferte die Idee für Giaevers Forschung. Ihm gelang es, die Energielücke bei Supraleitern zu messen.1957 stellten die amerikanischen Physiker John Bardeen (Nobelpreis 1956), Leon Cooper und John Robert Schrieffer ihre BCS-Theorie (Nobelpreis 1972) der Supraleitung vor. Danach sind die freien Elektronen bei tiefer Temperatur gepaart. Ihre Paarung beruht auf der Wechselwirkung mit dem Kristallgitter. Ein Elektron deformiert das Gitter. Das gestörte Gitter wirkt auf ein anderes Elektron, sodass zwischen den beiden Elektronen eine Anziehung entsteht, die bei niedrigen Temperaturen stärker ist als die durch die negativen Ladungen gegebene Abstoßung. Die beiden Elektronen verbinden sich zu so genannten Cooper-Paaren. Um ihre Bindung aufzubrechen, muss dem Supraleiter Energie zugeführt werden. Diese Energie bezeichnet man als Supraleiter-Energielücke. Fließt durch normale Leiter ein Strom, entsteht ein elektrischer Widerstand, weil die Elektronen am Gitter streuen und den Stromfluss bremsen. In Supraleitern ist das nicht der Fall. Cooper-Paare werden zwar auch gestreut, lassen sich aber dennoch nicht abbremsen. Um den Strom durch Streuung zu vermindern, muss dem Supraleiter mindestens die Energie der Energielücke zugeführt werden, um die Cooper-Paare aufzubrechen.Giaever gelang es, die Energielücke auf der Grundlage von Esakis Tunneleffekt zu messen und damit die BCS-Theorie zu bestätigen. An zwei verschiedene Schichtpakete legte er steigende Spannungen an. Das SIN-Paket bestand aus Supraleiter-Isolator-Normalleiter, das SIS-Paket aus Supraleiter-Isolator-Supraleiter. Beim SIN fließt erst dann ein Strom, wenn eine kritische Spannung erreicht ist. Er steigt sprunghaft an, wenn die Energie hoch genug ist, um die Bindung von Cooper-Paaren aufzubrechen. Durch die Messung der kritischen Spannung konnte Giaever die Energielücke exakt bestimmen und damit die BCS-Theorie beweisen.Mit dem Ball durch die WandBrian David Josephson, der dritte Preisträger, sah 1962 in einer theoretischen Arbeit mehrere spektakuläre Phänomene in Supraleitern voraus. So stellte er die These auf, dass Cooper-Paare widerstandsfrei zwischen zwei Supraleitern tunneln, die durch eine dünne Oxidschicht (Josephson-Kontakt) miteinander verbunden sind. Es soll also ein Strom durch einen Isolator fließen, ohne dass eine Spannung angelegt ist (Gleichstrom-Josephson-Effekt). Josephson behauptete außerdem, dass das Anlegen einer Gleichspannung zur Ausbildung hochfrequenter Wechselspannung führen würde (Wechselstrom-Josephson-Effekt). Dieser Effekt sollte zudem von einem geringen Spannungsabfall und dem Abstrahlen von Mikrowellen aus der Isolatorschicht begleitet sein. Alle diese Voraussagen wurden wenig später bestätigt.Die theoretische Deutung des Tunneleffekts ist nur quantenmechanisch möglich. Giaever hat ihn anlässlich der Preisverleihung zwar so beschrieben: ». .. es hört sich ziemlich seltsam an, dass, wenn man einen Tennisball oft genug gegen eine Wand wirft, er letztlich hindurch gehen wird, ohne dass er oder die Wand beschädigt werden.. .. Der Trick besteht natürlich darin, sehr winzige Bälle zu benutzen, und zwar eine Menge von ihnen.« Ein quantenmechanisches Teilchen verhält sich jedoch vollkommen anders. Der Tunneleffekt beschreibt die endliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Teilchen die Potenzialbarriere durchdringen kann, auch wenn seine kinetische Energie dazu nicht ausreicht. Näherungsweise kann die Isolatorschicht als absorbierendes Medium angesehen werden, in das sich die zum Elektron gehörende ebene Welle mit einer bestimmten Amplitude hineinbewegt und auf der anderen Seite mit einer kleineren Amplitude herauskommt. Es handelt sich bei dieser Beschreibung um eine Wahrscheinlichkeitswelle mit nur mittelbarer physikalischer Bedeutung.U. Schulte
Universal-Lexikon. 2012.